Die Kinder Harrogaths

von Daniel Bettac


Anmerkung

Diese Geschichte spielt in der Welt von Diablo 2, einem Computerspiel. Der Spieler kann in diesem Spiel Söldner anheuern, die seine Figur dann begleiten. Dies ist die Geschichte eines dieser Söldner. Sie ist so erzählt, wie er sie erlebt hat - na ja, fast so. Natürlich kann man die Ereignisse in einem Computerspiel nicht eins zu eins in eine Geschichte übertragen, aber wozu gibt es denn die dichterische Freiheit?
Die Geschichte ist noch nicht abgeschlossen und momentan sieht es auch nicht so aus, als würde die das jemals werden.
Sorry.
Trotzdem viel Spaß beim Lesen.


Personen- und Namensverzeichnis


Inhalt

  1. Die Ankunft der Fremden
  2. Kriegerweihe
  3. Die Belagerung
  4. Der Kampf mit Shenk
  5. Die Gefangenen

noch unfertige Kapitel


Die Ankunft der Fremden

Funkensprühend klirrten unsere Schwerter aufeinander. Langsam aber sicher konnte ich meinen Gegner zurückdrängen. Es war allerdings nicht leicht, er kämpfte um jeden Fußbreit, gab sich keine Blöße. Mit einer schnellen Drehung, das Schwert mit beiden Händen dabei in Richtung seines Kopfes schwingend, zwang ich ihn noch einen Schritt nach hinten. Das verschaffte mir gerade einen Augenblick Zeit, um mir den Schweiß aus den Augen zu blinzeln, dann setzte ich nach. Eine plötzliche Aufwärtsbewegung meines Schwertes prellte ihm seine Waffe aus der Hand, doch noch ehe ich ihm meine Klinge an die Kehle setzen konnte, war er schon unter ihr durchgetaucht. Eine Rolle vorwärts brachte ihn sowohl aus der Reichweite meines herabsausenden Schwertes als auch wieder in Besitz des seinigen. Unschlüssig schauten wir uns beide einen Moment in die Augen. Alle meine Kräfte zusammennehmend setzte ich zum letzten Angriff an, der ihn einem wahren Wirbel von Fußtritten und Schwerthieben aussetzte. Diesmal konnte er nicht rechtzeitig ausweichen, so dass meine Klinge auf seinem Hals zur Ruhe kam.
"Khan!" Die wütende Stimme meines Mentors Qua-Kehk riss mich aus meinem Kampfesrausch. "Khan! Stop." Seine Hand packte mich bei der Schulter und riss mich herum. Reflexartig, ohne es eigentlich zu wollen, schwang ich dabei mein Schwert in seine Richtung. Doch noch bevor es ihn erreichen konnte hatte er mich schon entwaffnet und zu Boden gezwungen. Und wenn ich hundert Jahre alt würde, ich glaube nicht, dass ich ihn im Kampfe besiegen könnte.
"Was sollte das? Du hättest Ulf eben fast erschlagen." Seine Stimme war jetzt gefährlich leise. "Habe ich euch nicht die Anwendung der Wirbelwind-Technik untersagt, solange ihr im Training seid?"
"Ja, Mentor."
Er ließ mich los, richtete sich auf und klopfte den Staub des Übungsplatzes von den Kleidern.
"Und deine Entschuldigung?"
"Keine, Mentor." Ich senke meine Augen, um seinem strengen Blick zu entgehen. "Meine Instinkte sind mit mir durchgegangen und dafür gibt es im Kampf keine Entschuldigung."
Er wandte sich Ulf zu, der betreten seine Waffe aufsammelte. "Und du?"
"Ich war nicht vorbereitet." Ulf klang genauso kleinlaut wie ich mich fühlte. Er hatte nicht einmal versucht, eine der klassischen Abwehrtechniken einzusetzen, die zu gebrauchen wir schon monatelang übten. "Ich habe mich darauf verlassen, dass wir im Training sind."
Qua-Kehk seufzte. "Der eine zu heißblütig, der andere zu gutgläubig. Wenn ihr da draußen seid und gegen Baals Dämonen kämpft, solltet ihr besser mit jeder denkbaren Bosheit rechnen - und vielleicht auch noch mit ein paar mehr." Gedankenverloren hob er mein Schwert vom Boden auf und reichte es mir. "Seit drei Jahren nun seid ihr beide meine Schüler, meine beiden besten mittlerweile sogar. Doch diese Eigenheiten hattet ihr von Anfang an und ich konnte sie euch nicht abgewöhnen."
Ruckartig hob er den Kopf. "Ein wirklich guter Kampf war das eben, wirklich gut. Ulf, wie du gesehen hast, hat Khan den Wirbelwind jetzt endlich begriffen, er schlägt nicht mehr jeden zweiten Schlag ins Leere." Es war ein schiefes Lächeln, dass er Ulf damit entlockte, aber immerhin ein Lächeln. Wieder ernst schaute er uns beide an.
"Was meint ihr zwei, seid ihr bereit für die Welt da draußen?"
Fassungslos starrte ich erst ihn an, dann Ulf. Mit dem Begreifen seiner Worte fingen wir beide gleichzeitig an zu grinsen.
"Natürlich sind wir bereit."
"Dann geht jetzt, und heute abend werde ich dem Ältestenrat zwei neue Krieger vorstellen."
Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ uns stehen. So plötzlich wie seine Worte gekommen waren, fanden wir uns allein gelassen in der Trainingshöhle.
"Nun, Krieger Ulf, wie fühlt Ihr euch?"
"Besser als noch vor ein paar Minuten, Krieger Khan."
Mit großen Schritten und stolzgeschwellter Brust verließen wir die Höhle. Als Kinder hatten wir sie betreten und als Männer traten wir nun daraus hervor, bereit, uns den Übeln dieser Welt entgegenzuwerfen.
Vom Eingang aus konnte man die ganze Siedlung überblicken. Weiße Rauchwolken quollen aus den Schornsteinen und Menschen gingen geschäftig hin und her. Dieses scheinbar friedliche Bild wurde jedoch von den vielen Bewaffneten, die auf der Mauer Wache standen, getrübt. Von drei Seiten bildete der Berg Arreat einen unüberwindbaren Schutz, der von der vierten Seite her durch eine starke, zehn Manneslängen hohe und zwanzig Schritt breite Mauer vervollständigt wurde. Über ihre Länge von zweihundert Schritt hielten ständig fünfzig Krieger Wache. Niemals durften sie ihre Aufmerksamkeit abwenden, denn die Diener Baals, Dämonen, Untote und andere Monster, versuchten zu jeder Tag- und Nachtzeit, unsere Schutzmaßnahmen zu umgehen.
Ulf packte meinen Arm. "Sieh doch, dort, am Tor."
Jetzt sah ich sie auch, eine größere Gruppe von Reisenden, wie mir schien. Mindestens zwei Dutzend Leute scharten sich am Tor, jedoch umringten die Wachen sie eng und schienen nicht besonders begeistert von den Besuchern. Wir liefen los, mehr aus Neugierde, denn es hatte schließlich keinen Alarm gegeben. Doch als wir näher kamen wurde uns die Besorgnis der Wachen klar. Die wenigsten der Neuankömmlinge waren Menschen.
Der eine war groß gewachsen und kräftig gebaut, mit Helm, Rüstung, Schild und Schwert bewehrt. Sein noch junges Gesicht zeigte bereits viele Narben und seine Bewegungen waren die eines Mannes, der es gewohnt ist, jederzeit zur Waffe greifen zu müssen um sich zu verteidigen. Das beeindruckendste an ihm war jedoch seine Ausstrahlung. Als wir in seine Nähe kamen fühlten wir uns plötzlich frisch und erholt. Ein plötzliches Jucken ließ mich auf meine Hand blicken und ich sah zu meinem Erstaunen, wie eine Schürfwunde, die ich mir vor ein paar Tagen beim Training zugezogen hatte, vor meinen Augen heilte. Ich hatte zwar noch nie zuvor einen Paladin gesehen, aber mir war sofort klar, dass dieser Mann einer sein musste.
Der zweite Mann war mittelgroß aber von eher schmächtiger Statur. Gekleidet war er in Leder und Stoff, eine eher ungewöhnliche Reisekleidung in diesen Zeiten. An seinem Gürtel hingen mehrere graue Gebilde die aussahen wie die verkleinerten Köpfe von irgendwelchen grausigen Monstern. Bewaffnet war er nur mit einem Dolch und einem kleineren Stab, der zum Kämpfen ungeeignet schien. Um ihn jedoch drängte sich ein Haufen Kreaturen, welche die Beunruhigung der Wachen erklärten. Eine gut drei Schritt große Gestalt aus purem Feuer hatte sich zwischen ihn und die Speere der Männer gestellt. Mehrere Skelette, denen teilweise noch mehr oder weniger große Fetzen verwesenden Fleisches anhafteten, machten drohende Gebärden in Richtung der Krieger. Einige von ihnen hatten merkwürdig leuchtende Hände, die ständig Bälle aus Magie zu formen schienen.
Ich hatte schon Gerüchte über diese Art von Männern gehört, sie jedoch nie besonders ernst genommen. Welcher Mensch bei gesundem Verstand würde sich schon der Erforschung der Toten widmen?
"Ein Necromancer. Und auch noch in Begleitung eines Paladins. Wahrlich, diese schlimmen Zeiten zwingen uns zu merkwürdigen Bündnissen." Die Stimme Malahs riss uns alle aus unseren Betrachtungen. Malah war der gute Geist der Siedlung. Wenn man ihr glauben durfte, war sie einst eine Schülerin des geheimnisvollen Zauberinnenordens, hatte jedoch festgestellt, dass sie zu anderem berufen wäre. Wie auch immer, niemand hätte es je gewagt, ihre Begabung auf dem Gebiet der Magie und der Heilkunst in Frage zu stellen. Auch ihre Menschenkenntnis war immer wieder verblüffend. Und jetzt ging sie mit einem strahlenden Lächeln an den Wachen vorbei auf die beiden Neuankömmlinge zu.
"Sire. Es ist mir eine Ehre, Euch hier begrüßen zu dürfen. Mein Name ist Malah."
Ein Lächeln ging über das Gesicht des Paladins, als sie seine Hand ergriff und schüttelte.
"Und Ihr, Milord?" Ohne den Fremden zu Wort kommen zu lassen, drehte sie sich zu dem Necromancer um. "Ich habe schon viel von Eurer Zunft gehört, wiewohl ich noch keinen von Euch die Ehre hatte zu treffen."
Auch er lächelte und ergriff ihre Hand.
"Mein Name ist Vendor, und mein Gefährte hier," dabei wies er auf den immer noch stumm lächelnden Paladin, "nennt sich Marek. Wir freuen uns sehr, diese Ansiedlung hier wohlbehalten vorzufinden. Nach all den Gerüchten über Baals Vordringen und den Spuren, die sein Bruder in Tristram hinterließ, mussten wir mit allem rechnen."
"Ihr wart in Tristram? Habt dort gekämpft? Wie..." Malah war die Aufregung anzumerken, doch sie riss sich zusammen. "Aber wo bleiben meine Manieren! So kommt doch, folgt mir, ihr seid meine Gäste." Sie drehte sich um und machte Anstalten, zu ihrem Haus voranzugehen, als sie die Gesichter der Wachen bemerkte. Erneut wandte sie sich dem Necromancer zu.
"Milord, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber die Männer sind beunruhigt wegen Eurer, ähm, Begleiter. Wisst ihr, der Anblick ist einfach zu ungewohnt..."
Ein spitzbübisches Lächeln stahl sich über sein Gesicht. "Ihr habt Angst, ich könnte die Kinder erschrecken, eh? Nun gut. Golem!" Das letzte Wort war an das große Feuerwesen gerichtet, das sich zu ihm umwandte. Auf eine Handbewegung hin brachen die Skelette zu leblosen Knochenhaufen zusammen, die unter einer Berührung des seltsamen Wesens zu feiner Asche verbrannten. Anschließend berührte er diesen seltsamen Golem mit dem Stab aus seinem Gürtel und von einem Augenblick zum anderen verschwand dieser spurlos. Dann wandte er sich den Wachen zu und verneigte sich spöttisch.
Ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen wandten sich die Drei in die Richtung von Malahs Haus, worin sie fröhlich plaudernd verschwanden.
"Na, das kann ja heiter werden, ein Necromancer hier bei uns." Der alte Nihlathak war hinter uns getreten, stütze sich auf seinen Stock und sprach dabei vor sich hin.
"Wenn sogar die schon in zivilisierten Gegenden geduldet werden, dann muss die Lage wohl schlimmer sein als ich gedacht hätte."
Ich stieß Ulf an und wir machten, dass wir da wegkamen. Wenn Nihlathak uns erst einmal direkt ansprechen würde, kämen wir wieder erst Stunden später von ihm weg, denn wer würde schon dem letzten der Ältesten ins Wort fallen, auch wenn er inzwischen nicht mehr ganz er selbst war.
"Ich würde zu gern hören, was die beiden Fremden alles zu erzählen haben", meinte ich zu Ulf." Sie scheinen weit gereist zu sein, wenn sie wirklich aus Tristram zu uns kommen."
"Ich denke, die wirklich wichtigen Sachen werden sie erst heute abend bei der Versammlung der Ältesten erzählen. Und da die Krieger, die keine Wache haben, dort zuhören dürfen..."
Er musste nicht aussprechen, denn auch ich wusste, dass wir heute abend das erste Mal bei dieser Versammlung sein würden. Erneut machte sich die Freude in mir breit, während wir zum Badehaus gingen.
Aus dem Gang zum dorthin wurde, ohne dass wir es beabsichtigt hatten, ein kleiner Wettlauf. Obwohl er normalerweise schneller rennen konnte als ich, schaffte ich es, Ulf an einer Hausecke abzudrängen, so dass ich vor ihm anlangte. Ich wollte gerade die Tür öffnen als sie auch schon von innen aufging und Anya heraustrat. Mit vollem Schwung lief ich sie über den Haufen und Ulf, der direkt hinter mir war, fiel noch über uns beide. Wann genau dabei die Heiltränke in ihrem Korb zerbrachen weiß ich nicht, aber der Schaden war es, der zählte. Zornig sprang Anya auf und versuchte noch zu retten, was zu retten war.
"Könnt ihr beide nicht aufpassen?" Wenn eine junge, hübsche Frau einen in diesem Tonfall anschreit, dann wird der stärkste Krieger kleinlaut. Jedenfalls ging es Ulf und mir so. Wir schafften es noch, aus ein paar zerbrochenen Flaschen Reste ihres Inhalts zu retten, aber das meiste war verschüttet.
"Was rennt ihr auch so hier herum? Seht, was ihr angerichtet habt." Anya klang schon wieder ruhiger, eigentlich konnte sie nämlich nie lange jemandem wirklich böse sein. Nicht einmal, wenn es einen guten Grund gab.
"Wir werden dir natürlich helfen, neue zu brauen", schlug Ulf vor. Jetzt lachte Anya schon wieder.
"Nein, nein, lasst mal, dann sieht meine Küche nachher genauso aus wie der Boden hier." Sie deutete dabei auf die Pfütze. "Ich kenne euch beide doch zu gut, um euch in die Nähe von Glasflaschen zu lassen."
"Was bitte soll das heißen", fragte ich in gespielt eingeschnapptem Tonfall.
"Ach, lass es gut sein, mit euren Waffen geht ihr ja recht geschickt um, aber mit dem Kochlöffel... Khan, ich weiß noch genau, wie du damals, als deine Mutter krank war, für euch alle kochen wolltest. Wenn Malah sich damals nicht eurer erbarmt hätte, wärst du wohl kaum so groß und stark geworden, wie du jetzt bist."
An Ulfs leisem Lachen konnte ich erkennen, dass es besser wäre, das Thema nicht noch weiter zu verfolgen und darum versuchte ich, davon abzulenken.
"Hast du schon von den beiden Besuchern gehört? Ein Paladin und ein Necromancer sind gerade angekommen."
Jetzt wurden ihre Augen groß.
"Ein echter Necromancer? Und dann auch noch in Begleitung eines Paladins?" Ungläubig schaute sie zu Ulf, der mit einem Nicken meine Worte bestätigte.
"Sie sind jetzt bei Malah, wenn du Glück hast, stellt sie dich ihnen vor." Noch bevor Ulf diese Worte ausgesprochen hatte war Anya mit einem Dankesruf davongeeilt.


Kriegerweihe

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit begann sich die Ratshütte zu füllen. Praktisch jeder, der keine Wache hatte und für reif genug befunden wurde, der Versammlung beizuwohnen, wollte sich die Geschichte der beiden Fremden nicht entgehen lassen. Schon jetzt kursierten die verschiedensten Gerüchte darüber, wer sie waren und woher sie kamen.
Natürlich waren Ulf und ich schon hier gewesen, nicht zuletzt deswegen, weil es uns bisher verboten gewesen war. Doch auch mit dem der Anblick des Raumes Vertraute mussten sich einfach beeindruckt zeigen von der Atmosphäre die hier herrschte. An der Wand brannten magische Fackeln, die ein gleichmäßiges, warmes Licht spendeten und niemals erloschen. Von der Tür zur Stirnseite des Raumes verlief ein breiter Gang, rechts und links gesäumt von Bänken, auf denen die Männer und Frauen sitzen konnten. An der Stirnseite jedoch befand sich ein großer, U-förmiger Tisch, an dem der Rat sitzen würde. Saß man an diesem Tisch, so war alles was man sprach problemlos im gesamten Raum zu hören. Anya hatte immer vermutet, dass dies mit der magischen Ausstrahlung der Stirnwand zusammenhinge, aber das war ein Gebiet, auf dem weder Ulf noch ich ihr hätten widersprechen können.
Im Moment jedoch konnte man sein eigenes Wort im Raum nicht verstehen, zu viele Leute sprachen durcheinander, riefen sich teils fröhliche, teils ernste Bemerkungen zu oder saßen einfach da und schliffen ihre Waffen.
Wie selbstverständlich rückten ein paar Leute auf den ersten Bänken enger zusammen, um Ulf und mir Platz zu machen. Auch die Nachricht von uns, den beiden neuen Kriegern, schien schon die Runde gemacht zu haben. Anerkennende Worte und herzliches Schulterklopfen kamen von allen Seiten. Neue Krieger von außerhalb strömten zwar jeden Tag nach Harrogath, aber Nachwuchs aus der Siedlung selbst war selten geworden, seit Baals Horden ihre Opfer forderten. Dementsprechend war auch die allgemeine Stimmung, denn trotz der vielen oberflächlichen Scherze konnte man doch die Anspannung sehen, unter der wir alle jetzt schon seit Wochen standen. Viele hofften auf gute Neuigkeiten von den Fremden, waren doch ernstzunehmende Botschaften von außerhalb der Barbarenländer seltener geworden.
Eine Hand legte sich von hinten auf meine Schulter. Ich drehte mich um und sah Anya, die dort mit Larzuk, dem Waffenschmied der Siedlung, saß. Zwischen sich hatten die beiden ein in Decken gehülltes, mehrfach verschnürtes Paket liegen.
"Ich wollte doch die Kriegerweihe nicht verpassen", sagte sie lächelnd.
Doch noch ehe ich etwas erwidern konnte, verstummten plötzlich die Stimmen um uns herum. Mich umdrehend, konnte ich an der Tür Malah mit ihren beiden Gästen sehen, die gefolgt von Nihlathak und dem Rest des Rates den Raum betraten. Sie alle nahmen auf den Bänken an der Stirnseite des Raumes Platz, auch die beiden Fremden, für die zwei extra Stühle dorthin gestellt worden waren.
Nur Qua-Kehk war stehengeblieben und winkte Ulf und mich nach vorne. Förmlich stellte er uns den anderen sechs Ratsmitgliedern vor, so, als wenn diese uns noch nie zuvor gesehen hätten. Genauso förmlich gab uns ein jeder von ihnen die Hand und begrüßte uns im Kreis der Krieger. Außenstehende waren oft verwundert über die kurzen Aufnahmezeremonien, aber bei uns galt ein Krieger alleine nicht viel. Erst musste er sich im Kampf beweisen, bevor wir ihn feierten. Das galt für jeden von uns, wenn auch einige wenige andere Möglichkeiten als die Schlacht fanden, sich die Achtung ihrer Kameraden zu verdienen.
Natürlich gab es trotzdem Glückwünsche von allen Seiten, als wir an unsere Plätze zurückkehrten. Qua-Kehk selbst trat noch einmal zu Ulf, nachdem er sich von einem der Krieger ein Schwert hatte reichen lassen.
"Dein Vater wollte, dass du dies eines Tages trägst. Es war das Schwert deines Großvaters. Er hat es einst selbst geschmiedet."
Ich hielt den Atem an, als Ulf die Klinge aus der Scheide zog. Wenn schon das Geräusch dabei von gutem Stahl zeugte, so war der Anblick der Klinge selbst so großartig, wie ich es noch bei keinem Schwert gesehen hatte. Es war ein Zweihänder. Mattschwarz schimmernd und gut zwei Schritt lang, schien es vor Energie zu vibrieren. Ich hatte nie einen Sinn für Magie entwickelt, aber Anyas überraschtes Luftholen verriet mir, dass nicht nur einfacher Stahl bei der Herstellung dieser herrlichen Waffe verwendet worden war. Schließlich hob Ulf den Blick und sah Qua-Kehk in die Augen.
"Ich danke euch, mein Meister. Ich werde diese Waffe in Ehren halten."
Qua-Kehk wandte seine Augen mir zu.
"Eigentlich wollte ich auch dir eine Waffe überreichen, aber heute nachmittag wurde ich gebeten, dies jemand anderem zu überlassen." Mit einem Lächeln nickte er Anya zu. "Du bist an der Reihe."
Überrascht wandte ich mich um. Larzuk hatte die Verschnürungen um das Paket gelöst und reichte es Anya, die es hastig auswickelte. Zum Vorschein kam ein unscheinbar wirkendes Bastardschwert. Diese Schwerter werden gewöhnlich beidhändig geführt, sind aber leicht genug um mit einer Hand geschwungen zu werden. Ich zog es aus der Scheide und das Gemurmel der Umstehenden verstummte schlagartig. Das Heft war praktisch aber schmucklos geformt. Lederstreifen, die nass um den Griff gewickelt und danach getrocknet waren, sorgten für einen guten Halt. Das eigentlich beeindruckende war jedoch die Klinge. Zweimal so lang wie mein Arm war sie, beidseitig geschliffen und über die ganze Länge hinweg mit fein gravierten Symbolen versehen. In allen Farben schimmerten diese auf ihrem silbrigen Untergrund. Als ich es probehalber einmal über meinem Kopf schwang, konnte ich das Gewicht kaum spüren. Ich testete die Schneiden mit meinem Daumen und blutete sofort aus zwei Schnittwunden.
"Sei vorsichtig." Anya hielt meinen Arm fest. "Ich habe es mit magischen Runen versehen, die das Schwert immer scharf halten und es nicht zerbrechen lassen." Mit einem Grinsen deutete sie auf Larzuk. "Er hat es für mich geschmiedet und ich habe es verzaubert, also ist es ein Geschenk von uns beiden."
Ich wusste nichts zu sagen, zu fassungslos war ich über diese unverhoffte Gabe. Ein Schwert wie dieses würde einen hohen Preis erzielen - so ich es denn jemals weggeben wollte. Schließlich umarmte ich Anya und schüttelte Larzuk die Hand. Doch noch bevor einer von uns etwas sagen konnte, ergriff Nihlathak das Wort.
"Nun, da die Aufnahmezeremonie vollendet ist, wollen wir uns wieder den wichtigen Dingen zuwenden. Wir haben zwei Gäste, die Neuigkeiten aus der Ferne bringen. Wollen wir uns nicht setzen und hören, was sie zu berichten haben?"
Für diese Worte erntete er erstaunte Blicke, war doch die Kriegerweihe bei weitem nicht so unwichtig, wie er es angedeutet hatte. Wenn sie auch sehr formlos war, so bedeutete sie doch einen wichtigen Schritt im Leben eines Mannes - und auch einer Frau. Doch wieder einmal siegte der Respekt vor dem Ältesten und niemand widersprach. Statt dessen warfen die Leute uns entschuldigende Blicke zu, während sie sich wieder setzen und ihre Aufmerksamkeit auf Vendor und Marek richteten. Zu meiner Überraschung kam auch von letzterem ein Blick, der nur eine Entschuldigung sein konnte, bevor er aufstand und das Wort ergriff. Auch die Fremden hatten also Nihlathaks merkwürdiges Verhalten gespürt, und die Bedeutung scheinbar richtig eingeordnet. Seit die Ältesten sich für den Schutzzauber geopfert hatten, um unsere Siedlung vor dem direkten Angriff Baals zu schützten, war Nihlathak, der einzige Überlebende dieser Beschwörung, nicht mehr er selbst, schien durch die Erfahrung ein wenig an Verstand verloren zu haben. Doch diese Gedanken dauerten nur einen Moment lang an, dann beugte ich mich nach vorne und ließ mir keines von Mareks Worten entgehen.
Er fing an mit Begebenheiten, über die wir schon von anderen erfahren hatten, doch niemand unterbrach ihn. Botschaften, die nur mündlich über große Entfernungen übermittelt werden, hört man sich besser von so vielen Berichterstattern als möglich an, da sie oftmals nur verstümmelt ihr Ziel erreichen. Um so mehr, als, wie wir mit Erstaunen feststellten, Marek und Vendor nicht einfach nur von den Ereignissen berichteten, sondern sie offenbar auch selbst miterlebt hatten.
Er erzählte kurz von den Ereignissen um die Stadt Tristram, deren Kathedrale von den Dämonen der Hölle erobert worden war. Von den mutigen Männern und Frauen, die sich diesen Mächten entgegengestellt hatten. Er sprach davon, wie Diablo, der Herr des Hasses, besiegt zu sein schien. Doch noch während die Siegesfeiern andauerten reiste sein Bezwinger ab, und seinen Weg säumten Terror und Zerstörung. Eine neue Welle von Dämonen überrannten Tristram, töteten seine Bewohner und verbreiteten neuen Schrecken über das Land. Eine Gruppe Abenteurer, zu denen auch Marek und Vendor damals gehörten, erreichte die Schreckensnachricht bei den Schwestern vom verborgenen Auge. Der Wanderer, wie der ehemalige Held und vermeintliche Bezwinger Diablos mittlerweile genannt wurde, war auch hier vorbeigekommen und hatte seine Zeichen hinterlassen. Nur wenige der Schwestern waren aus ihrem Kloster entkommen und hatten in den Wäldern der Umgebung Schutz gefunden. Jedoch mit der tatkräftigen Hilfe von Marek und seinen Gefährten war es ihnen gelungen, das Kloster zurückzuerobern. Dort trafen sie auch auf die Wächterin, die der Wanderer zurückgelassen hatte: Andariel, eines der niederen Übel der Hölle. Ich schauderte bei dem Gedanken an den Kampf, den diese Menschen sich dort mit den Dämonen geliefert haben mussten.
Der Spur des Wanderers waren sie nach Lut Golein gefolgt, der Wüstenstadt. Eine der Jägerinnen, Amplisa, hatte sich ihnen angeschlossen. Die Gruppe bestand zu diesem Zeitpunkt aus Marek, Vendor, Amplisa, Obwut, einem Druiden und Sendra, einer Zauberin. In Lut Golein hatte sich ihnen noch Natalya, eine Assassine angeschlossen. Doch leider waren sie auch hier zu spät; der Wanderer hatte es geschafft, den im Körper des legendären Magiers Tal Rasha eingesperrten Baal zu befreien und die Gruppe traf nur auf Duriel, auch eines der vier niederen Übel der Hölle. Beim Kampf mit dieser Kreatur waren Vendor und Amplisa lebensgefährlich verletzt worden. Marek hatte sich bereit erklärt, bei den Verwundeten zu bleiben, während der Rest des Trupps die noch heiße Spur in Richtung Kurast verfolgte. Der Erzengel Tyrael, den sie gefangen und unsäglich geschwächt aus dem Grab Tal Rashas befreien konnten, erzählte ihnen, dass dort das dritte der drei großen Übel, Mephisto, auf die Befreiung durch seine Brüder wartete. Der Wanderer selbst hatte Tyrael eingekerkert, denn, so sagte Tyrael, Diablo hatte den Körper seines einstigen Bezwingers übernommen um in ihm eine neue, noch mächtigere Hülle zu haben.
Vendor erholte sich zwar langsam von seinen Wunden, jedoch kam für Amplisa jede Hilfe zu spät. Wenige Wochen später, Vendor war noch nicht wieder reisefähig, erreichte die Kunde von Sieg über Mephisto Lut Golein. Den Erzählungen der Händler zufolge waren Diablo und Baal geflohen, Diablo in die Abgründe der Hölle und Baal in die Berge Harrogaths. Hier stockte Mareks Erzählung.
"So wissen wir, dass eines der drei großen Übel vernichtet wurde, jedoch sind da noch Baal und Diablo. Über das Schicksal unserer Gefährten war nichts in Erfahrung zu bringen, so sind wir denn nach Harrogath gereist, um zuerst Baal gegenüber zu treten. Sollten wir erfolgreich sein, werden wir uns auch um Diablo Gedanken machen, doch bis dahin..." Er unterbrach sich und lächelte müde in die Runde.


Die Belagerung

"Aber man sagte uns, Diablo sei tot." Es war undenkbar, dass einer der Krieger das Wort ergriff, ohne von einem der Ältesten dazu aufgefordert worden zu sein. Doch Larzuk war ein geachteter Mann, der beste Waffenschmied der Siedlung, so dass selbst Qua-Kehk ihm nur einen ärgerlichen Blick zuwarf. Vendor zuckte mit den Schultern.
"Wir sind seitdem ununterbrochen unterwegs gewesen, haben kaum einen Menschen zu Gesicht bekommen. Sollte es wirklich jemand gewagt haben, die Pforte zur Hölle zu durchschreiten, wir wissen nichts darüber." Sein Gesicht wirkte plötzlich erschöpft. "Wenn ihr mich fragt, ich glaube nicht, dass es viele Leute gibt, die den Mut dazu aufbringen würden. Und noch weniger, die dort auch noch eine Chance hätten zu überleben."
Marek räusperte sich. "Selbst wenn Diablo tot wäre, so gibt es doch immer noch Baal. Er muss unter allen Umständen daran gehindert werden, den Weltenstein..."
Ein lautes Krachen unterbrach seine Worte, gefolgt von Schmerzensschreien und Hilferufen. Noch bevor die Alarmhörner tönten, strömten die Krieger schon aus dem Haus. Ulf und ich wurden im Gedränge getrennt, statt dessen fand ich mich plötzlich neben Marek. Er griff nach meiner Schulter und rief, ich solle ihn schnell auf die Mauer bringen. Eilig hasteten wir die Wehrgänge empor, wo wir auf Anya und den Necromancer stießen.
Ein schauderhafter Anblick bot sich uns. Die ganze Ebene vor der Siedlung, seit dem Krieg von den Männern auch das "blutige Vorgebirge" genannt, war von Terrassen durchzogen, auf denen wir in Friedenszeiten Getreide anbauten. Jetzt wimmelte es dort nur so von Dämonen, die jedoch, anders als beim letzten Angriff, nicht auf die Stadtmauern zurannten. Statt dessen schienen sie dort draußen, weit vor dem Tor, riesige Katapulte zu errichten.
Ein Feuerball erhob sich in einiger Entfernung in die Luft und raste auf die Mauern zu. Er fiel jedoch zu kurz um Schaden anzurichten. An einer anderen Stelle platzte ein Geschoss beim Aufprall an der Mauer und grünliche Gase entwichen. Die Männer in der Nähe wichen zurück, fingen an zu husten. Einer von ihnen schien zu viel des Giftes eingeatmet zu haben, er lag am Boden und rührte sich nicht mehr. Andere sprangen hinzu und trugen ihn fort. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Terrassen richtete, sah ich einen weiteren Feuerball auf uns zukommen. Dieser jedoch würde nicht zu kurz fallen, das war jedem klar. Plötzlich schallte Mareks Stimme: "Nieder, auf den Boden".
Ob nun Anya mich oder ich sie zu Boden riss, weiß ich nicht mehr. Fest steht jedoch, dass der Paladin mit ausgebreiteten Armen stehen blieb, direkt dort, wo das Geschoss aufprallen würde, so als wolle er es willkommen heißen. Die Luft um ihn erstrahlte plötzlich in einem roten Glanz und seine Stimme war klar und deutlich zu vernehmen, als er um Kraft betete.
Dann geschah das Unglaubliche. Die Feuerkugel zerbarst mitten unter uns und doch wurde niemand verletzt. Eine Flamme züngelte meinen Arm hinauf und doch spürte ich keine Hitze. Innerhalb weniger Sekunden waren die Flammen erloschen und außer den am Boden liegenden Kriegern zeigte nichts mehr an, dass sie einmal da gewesen waren. Vorsichtig schauten wir uns um, bevor wir uns wieder erhoben. Marek ließ die Arme sinken und grinste. Ich ergriff seine ausgestreckte Hand und war mit einem Ruck wieder auf den Beinen, die unter anderen Umständen jetzt verbrannt und nutzlos gewesen wären.
Noch bevor ich ein Wort des Dankes sagen konnte, ertönte hinter uns die Stimme von Qua-Kehk.
"Anya, bitte hilf Malah unten bei den Verwundeten. Sir Marek, wir schulden Euch Dank."
Jetzt mischte sich Vendor ein.
"Qua-Kehk, Ihr wisst, dass nur wenige dieser Katapulte nah genug sind, um den Mauern gefährlich zu werden? Man sollte sie zerstören."
"Oh ja, das wissen wir. Im Augenblick bereiten fünfzig meiner Männer einen Ausfall vor."
Diese Worte wurden bereits begleitet von den Rufen der Männer, die aus dem Tor heraus und in Richtung der Katapulte strömten.
Vendor blickte sich suchend um und trat dann zu einem der Wachposten, der einen Bogen über die Schulter trug.
"Könnt ihr von hier aus dieses Katapult erreichen?" Er zeigte dabei auf dasjenige, welches den Feuerball auf uns geschossen hatte. Der Mann schüttelte den Kopf.
"Erreichen ja, aber auf diese Entfernung ist es unmöglich, etwas zu treffen. Abgesehen davon hätte der Pfeil dann keine Kraft mehr."
Vendor schien einen Augenblick zu überlegen.
"Der Pfeil muss nichts treffen, es reicht, wenn er seine Fracht neben dem Katapult zu Boden fallen lässt."
Der Krieger blickte fragend zu Qua-Kehk, welcher nach einem neugierigen Blick auf Vendor nickte. Daraufhin nahm er den Bogen von der Schulter und legte einen Pfeil auf.
"Einen Augenblick, mein Freund, einen Augenblick." Der Necromancer hatte seinen kurzen Stab gezogen und wirbelte ihn in einer komplizierten Figur durch die Luft. Eine kleine Flamme erschien an der Spitze des Stabes, mit welcher er den Pfeil entzündete. "Denkt daran, so dicht wie möglich an das Katapult, ob ihr wirklich trefft ist dabei nicht so wichtig."
Der Mann spannte den Bogen an und zielte. Im nächsten Augenblick stieg der Pfeil als kleiner, leuchtender Punkt zum Himmel auf, wo er kurz zu verharren schien, bevor er sich wieder zu Boden senkte. Er fiel etwa zehn Schritt vor dem Katapult zu Boden, wo er in einer Stichflamme explodierte. Im nächsten Moment stand das merkwürdige Feuerwesen, in dessen Begleitung Vendor uns heute erreicht hatte, an diesem Platz. Mit wenigen Schritten war es beim Katapult und fing an, dieses mit mächtigen Schlägen zu bearbeiten. Die Dämonen, welche das Kriegsgerät bedienten, griffen das Wesen zwar wild entschlossen an, schienen aber keinen Schaden anzurichten. Im Gegenteil, einige von ihnen gingen selbst in Flammen auf, als sie es berührten.
Dieser Anblick beflügelte unsere Krieger, sie jubelten laut und schwangen wild ihre Waffen. Der Feuergolem, wie Vendor das Wesen nannte, hatte "sein" Katapult inzwischen zerstört und suchte sich ein neues Ziel. Dies fand er in einem riesenhaften Dämon, der wie aus dem Nichts vor dem Golem auftauchte. Die beiden bearbeiteten sich gegenseitig mit wilden Schlägen.
Unsere Männer standen mittlerweile einem nicht versiegenden Strom von Dämonen gegenüber. Zwei Katapulte hatten sie ausschalten können, doch jetzt wurden sie Schritt für Schritt von den Gegnermassen zurückgedrängt. Aus dem Hinterland erhielten die Bestien noch Unterstützung durch weitere Katapulte, die Geschosse aus magischem Eis in die Reihen der Krieger schleuderten. Nur etwa zwanzig von ihnen konnten sich in den Schutz der Mauern zurückziehen, der Rest blieb auf dem Schlachtfeld liegen. Noch immer waren jedoch zwei Katapulte übrig, deren Geschosse die Stadtmauern erreichen konnten. Unaufhörlich regnete es Feuer, Eis, Gift und sogar Blitze auf die Verteidiger nieder.
Marek nahm eine kleine Flasche aus einem Fach an seinem Gürtel und leerte sie in einem Zug. Magisch unbedarft oder nicht, in diesem Moment spürte auch ich die magischen Energien, die in Richtung seines Körpers strömten. Er zeigte mit der rechten Hand auf eines der Katapulte und murmelte einige Gebete. Plötzlich ballte er die Hand zur Faust und hieb damit in seine flach ausgestreckte Linke. Über dem Katapult erschien plötzlich eine große Faust, die aus Blitzen geformt zu sein schien. Sie sauste auf die Konstruktion herab und zermalmte sie zu Staub. Einige der umstehenden Dämonen wurden gleichermaßen von ihr erfasst, schienen aber merkwürdigerweise keinen größeren Schaden zu nehmen. Marek blinzelte erschöpft und wiederholte die Prozedur, wobei er auf das letzte verbliebene Katapult zeigte. Diesmal war die Faust wesentlich kleiner und das Katapult zerfiel nicht zu Staub, sondern ging in Flammen auf. Marek wankte vor Erschöpfung und ich konnte ihn gerade noch stützen, sonst wäre er rückwärts vom Wehrgang gefallen.
Ich ließ ihn sich setzen und an die Mauerkrone lehnen. Qua-Kehk gab ihm mit einem ehrfurchtsvollen Blick aus seiner Feldflasche zu trinken und schon nach kurzer Zeit waren Mareks Augen weniger glasig. Wir richteten uns auf und schauten wieder hinaus auf das Geschehen.
Die Dämonen hatten sich zu den verbliebenen Katapulten, die jedoch die Stadtmauern nicht erreichen konnten, zurückgezogen. Nur der große war geblieben und attackierte den Feuergolem wilder und wilder. Hinter mir hörte ich Vendor leise Beschwörungen murmeln, doch plötzlich unterbrach er sich mit einem Fluch.
"Dieses Vieh ist stärker als mein Golem", rief er mit Verwunderung.
In diesem Moment zerbarst dieser auch schon in einer Explosion aus purem Feuer, die dem Monster jedoch nicht viel anzuhaben schien. Es schüttelte sich, richtete seinen Blick dann auf die Mauern und rief: "Nun gut, wir kommen nicht näher heran, aber ihr könnt diese Mauern nicht mehr verlassen. Wir wollen sehen, wer eher aufgibt."
Seine Stimme war unangenehm, aber laut genug, um sie auch hier auf der Stadtmauer gut zu verstehen. Lachend wandte es sich ab und ging auf die Reihen der anderen Dämonen zu. Plötzlich jedoch drehte es sich noch einmal um und starrte Vendor direkt an.
"Du Wicht wagst es, mich mit deiner jämmerlichen Magie herauszufordern? Komm, wenn du es noch einmal versuchen willst. Frag einfach einen meiner Untergebenen nach Shenk, dem Aufseher." Ein meckerndes Lachen war das letzte, was wir von ihm hörten.

Es folgte eine unruhige Nacht. Obwohl die Dämonen einen gehörigen Abstand zu den Mauern hielten und auch keine neuen Katapulte in Reichweite aufstellten, wollte keiner seinen Posten auf den Mauern verlassen. Nur mit Mühe überzeugte Qua-Kehk die Wachen der nächsten beiden Schichten, sich zwischenzeitlich zum Schlafen niederzulegen. Ich beneidete Ulf, der mit Vendor und einigen Männern den Schutz der Mauern verlassen durfte, um unsere Gefallenen zu bergen. Derweil kümmerte ich mich um Marek, der immer noch sehr erschöpft von seiner letzten Anstrengung war. Aber auch so bekam ich den beängstigenden Anblick von Vendors Wiederbelebten mit, wie sie die Leichen in die Stadt trugen und auf dem Friedhof ablegten. Scheinbar hatte er sich der Überreste getöteter Dämonen bedient, um eine Reihe von Skeletten zu erschaffen, die ihm nun aufs Wort gehorchten. Auch den Wachen konnte man ansehen, dass ihnen nicht ganz wohl bei der Sache war. Vendor jedoch erwiderte die nervösen Blicke mit einem unbekümmerten Grinsen und teils sehr makaberen Scherzen.
Marek schien eine Weile in Gedanken versunken zu sein, so dass ich mich ein wenig entfernte, um ihn nicht zu stören. Einige Minuten später kam ich zurück und fand ihn in ein Gespräch mit Qua-Kehk. Dieser wirkte nicht sehr begeistert, wandte sich dann aber mir zu.
"Khan, unser Gast hat mich um die Hilfe unserer Krieger gebeten. Allein schon wegen der Hilfe, die er uns heute geleistet hat, kann ich seine Bitte unmöglich ablehnen. Jedoch will er um keinen Preis", hier musste er doch wieder lächeln, "einen älteren, erfahrenen Krieger akzeptieren. Ganz im Gegenteil, er bestand darauf, dich als ersten zu fragen."
Ich blickte Marek überrascht an. Nun gut, ich hatte ihm auf der Mauer geholfen so gut ich konnte, aber das hätte auch jeder andere tun können.
"Genau genommen baten er und Vendor um die Hilfe zweier Krieger. Wen schlägst du als zweiten vor?"
Diesmal schaute ich Qua-Kehk verwirrt an. Meinte er diese Frage wirklich ernst?
"Meister, ihr..." Ich unterbrach mich, denn mir fiel ein, dass er nicht mehr mein Lehrmeister war. "Qua-Kehk, ihr wisst, dass ich auf jeden Fall um Ulfs Hilfe bitten werde. Auch wenn wir bisher wenig Erfahrung haben, so sind wir gemeinsam im Kampf doch unschlagbar."
Qua-Kehk kicherte.
"Nun ja, unschlagbar meinst du? Ich erinnere mich an einige..." Er wurde wieder ernst. "Aber gut, wenn Ulf einverstanden ist," damit wandte er sich wieder an Marek, "so habt ihr eure Begleiter."
Mit diesen Worten ging er weiter. Marek schaute mich belustigt an.
"Er scheint nicht sehr erfreut über meine Wahl."
Schon allein das Aussenden eines unerfahrenen Kriegers auf eine unbekannte, möglicherweise gefährliche Mission, war eine sehr ungewöhnliche Sache. In diesem Fall dagegen wurden gleich zwei ausgewählt, was die Entscheidung für Qua-Kehk sehr schwer machte. Ich erklärte dies Marek und er nickte.
"Aber du wirst mir einfach glauben müssen, wenn ich dir sage, dass ich ganz einfach das Gefühl hatte, diese Entscheidung sei die richtige. Ich habe gelernt, solche Eingebungen ernst zu nehmen, wenn du allerdings Bedenken hast, sprich sie lieber sofort aus, denn ich zwinge niemanden dazu, mir zu folgen."
Nicht nur, dass ich ihn gerne begleiten wollte, ich hätte mich jetzt auch nicht mehr zurückhalten lassen. Nur die Frage, auf welche Mission er uns denn führen wollte, antwortete er ausweichend.
"Ich habe noch keinen festen Plan, darum werden wir uns nachher mit Vendor und Ulf zusammensetzen und gemeinsam überlegen. Bis dahin sollte es dir genügen, wenn ich dir sage, dass Vendor nie einer Herausforderung ablehnt, so unvernünftig dies auch scheinen mag." Er grinste mich an. "Du wirst verstehen, dass ich ihn in jedem Fall darin unterstützen werde."


Der Kampf mit Shenk

Wir verbrachten den Tag mit Vorbereitungen und Schlaf, da wir bei Einbruch der Dunkelheit aufbrechen wollten. Ulf und ich kannten einen verborgenen Pfad, der quer durch den Berg bis ins Eishochland führte, direkt in den Rücken der Belagerer. Jedoch wären wir auf diesem an einigen Stellen bei Tageslicht schon von weither sichtbar. Wir mussten also trotz des schwierigen Pfades die Reise ohne Licht machen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass wir uns allerlei Blessuren zuzogen, Andenken an Stellen mit wenig Halt für Hände und Füße. Mitternacht war längst vorüber, als wir die kurze Schlucht erreichten, die das Eishochland vom Vorgebirge trennte. Jedoch war diese Stelle nicht ganz so verlassen, wie wir es gehofft hatten. Eine Gruppe von sechs Dämonenwesen hielt hier Wache. Sie ähnelten denjenigen, die schon die Katapulte gebaut hatten, jedoch war ihr Anführer etwas größer und hatte, anstatt einer grünlichen wie seine Untergebenen, eine bläulich schimmernde Hautfarbe. Glücklicherweise trugen sie keine Waffen, sondern kämpften nur mit Zähnen und Klauen. So wild, wie sie uns angriffen, hätten sie sonst eine wirkliche Gefahr bedeutet.
Ich hatte gerade noch Zeit, einen Warnruf auszustoßen, dann sah ich mich schon dreien von ihnen gegenüber. Merkwürdig langsam und schwerfällig schienen sie sich plötzlich zu bewegen. Noch bevor ich den ersten Schlag parieren musste, war schon der erste von ihnen tot. Mein nächster Hieb traf einen in einem ungünstigen Winkel, so dass er nur einen Schlag mit der flachen Klinge an den Kopf bekam, jedoch warf er ihn ein wenig zurück und verschaffte mir genug Luft, um dem dritten einen tödlichen Streich zu versetzen. Der zweite war immer noch benommen, als mein Schwert ihm den Kopf vom Hals trennte.
Ein rascher Blick in die Runde verriet mir, dass meine Gefährten in keiner Gefahr waren. Marek versetzte gerade dem Anführer den Todesstoß und Vendor ging hinter einem aus der Leiche eines unserer Gegner beschworenen Skelettes in Deckung, während ein merkwürdiger Golem aus Fels und Erde den letzten der Dämonen buchstäblich in zwei Teile riss. Nur Ulf schien ein Problem zu haben.
Wie ich später erfuhr, hatte das merkwürdige Wesen, dem er jetzt gegenüberstand, ihn mitten im Kampf von hinten angegriffen. Nun hüpfte es vor ihn auf und nieder und schoss dabei mit kleinen Feuerblitzen nach ihm, die zwar nicht gefährlich, aber dennoch sehr schmerzhaft zu sein schienen. Jedes Mal, wenn Ulf sein Schwert in die Richtung des Wesens schwang, verschwand es von seinem Platz nur um gleichzeitig neben oder hinter Ulf wieder aufzutauchen - scheinbar konnte diese merkwürdige Kreatur sich über kleinere Entfernungen teleportieren. Auf diese Art bot er uns ein sehr lächerliches Bild, wie er da um sich Luftlöcher schlug. Als dieses Wesen, es schien ein Kobold zu sein,, bemerkte, wie wir anderen auf es zukamen, ergriff es jedoch die Flucht. Mit kurzen aber schnellen Sprüngen versuchte es, in Richtung Vorgebirge zu entkommen.
"Lasst es nicht entwischen." Diese Worte rief Marek uns zu, während er einen Dolch aus dem Gürtel riss und diesen warf. Er hatte genauso wenig Glück wie Ulf mit seinen Schwerthieben.
Vendor blieb stehen und zielte mit seinem Stab auf das Wesen. Zwei weißleuchtende Kugeln lösten sich von der Spitze des ansonsten so unscheinbaren Stabes und flogen mit erstaunlicher Langsamkeit hinter dem Kobold her. Dieser bemerkte die neue Gefahr und versuchte, sich mit wilden Sprüngen und erneuter Teleportation in Sicherheit zu bringen. Die Geschosse jedoch folgten ihm, umkreisten ihn langsam und kamen dabei immer näher. Schließlich traf ihn eines mitten im Sprung, das zweite schlug kurz danach in den bereits toten Körper ein.
Wir verbargen die Spuren des Kampfes und warfen die Leichen in einem kleinen Graben, um nicht noch andere der Monster auf unsere Spur zu locken. Vendor sprach dabei in spöttischem Tonfall vor sich hin, von großen Kriegern, die einen kleinen Kobold nicht ohne Hilfe fangen konnten. Auch ich musste bei der Erinnerung wieder grinsen. Schließlich lachte auch Ulf, der bis dahin mit verbissener Miene das Blut am Kampfplatz mit Sand überschüttet hatte. Wir hatten unseren ersten gemeinsamen Kampf bestanden, ohne dass jemand von uns verletzt worden war.
Wir folgten dem Weg ins Vorgebirge bis wir in einiger Entfernung Bewegung erblickten. Den Rest des Weges dorthin legten wir auf allen Vieren in einem kleinen Graben zurück. Schließlich erreichten wir eine Stelle, von der aus wir einen guten Überblick hatten. Ein paar Büsche am Rand des Grabens boten uns genug Deckung, um den Kopf herauszustrecken.
Ein gutes Dutzend der Dämonen waren dort dabei, ein weiteres Katapult zu errichten. Zu meinem Entsetzen bestand dieses nicht nur aus Holz und Stahl, sondern aus lebenden Wesen, die auf irgendeine Weise mit den unbelebten Teilen verschmolzen zu sein schienen. Unter den Hammerschlägen der Arbeiter schrieen und wimmerten sie.
Abseits dieser Gruppe stand der Aufseher, Shenk, und schwang seine Peitsche mal hierhin, mal dorthin, um die Arbeiter anzutreiben. Aus dieser Nähe sah er noch gewaltiger aus als beim letzten Mal und sein grausamer Gesichtsausdruck verriet, dass er kein Mitleid mit den Kreaturen empfand, die dort gequält wurden.
"Ist das Blut an eurem Arm, mein Freund?" Eine Berührung Vendors lenkte mich von dem Geschehen in der Entfernung ab. Mit einem Kieselstein, etwa halb so groß wie seine Faust, strich er über eine Schramme, die ich mir irgendwo auf dem Weg zugezogen hatte.
"Ich könnte ja auch meines nehmen, aber dafür müsste ich mich extra schneiden" sagte er mehr zu sich als dass er mit mir redete. "Nur fragt sich, wie wir die Steine jetzt nach dort unten bekommen."
Ich verstand gar nichts von alledem.
"Was wollt ihr mit Steinen anfangen, noch dazu mit so kleinen? Die werden diesem Biest nicht einmal weh tun."
Vendor kicherte. "Oh, diese hier doch, diese beiden hier schon", dabei hielt er den ersten, blutbeschmierten, und noch einen zweiten Stein hin. Der zweite hatte ein kleines Loch, in das er gerade einen Knochensplitter presste.
"Vertraut mir ruhig, diese hier schon. Auch wenn es unserem Freund hier", er schaute dabei grinsend zu Marek, "nicht immer besonders gefällt."
Fragend blickten Ulf und ich zu Marek, der uns zunickte. "Keine Frage, zuerst habe ich es für schwarze Magie gehalten, aber inzwischen vertraue ich den Kräften Vendors, so merkwürdig sie auch sind."
Erneut streckte dieser mir die Steine hin. "Wirf sie, starker Krieger, wirf sie weit. Sie müssen dem Biest dort drüben direkt vor die Füße fallen, sonst ist dein Blut und meine Magie vergeudet."
Ich nahm die Steine und maß die Entfernung mit den Augen. Zu unserem Kampftraining hatte natürlich auch das Werfen von Waffen gehört, so dass diese Aufgabe ein Kinderspiel für mich sein sollte. Ich richtete mich auf, schleuderte die Steine mit beiden Händen und war rechtzeitig wieder in Deckung, um sie am Boden, genau zwischen den Füßen der Kreatur, aufkommen zu sehen.
In dem Moment als sie aufprallten geschahen zwei Dinge. Das eine, was ich nur undeutlich wahrnahm, war eine große, rötliche Gestalt, die aus einem der Steine wuchs. Als zweites, der Grund für die undeutliche Wahrnehmung, schoss eine dichte Wand aus Knochen rund um Shenk aus der Erde. Sie war zu groß um sie zu überspringen und schien zu dicht und zu stabil, sie mit roher Gewalt zu zerstören. Als aus dem Inneren seines plötzlichen Gefängnisses Shenks wütendes Aufheulen zu vernehmen war, erhob sich Vendor und richtete seinen Stab auf die dicht gedrängten, verwirrten Diener der Kreatur. Verwirrt sahen diese plötzlich auch aus, wie irrsinnig rannten sie umher und schlugen aufeinander ein.
Grinsend schaute Vendor uns an. "Ich habe sie abgelenkt, erledigen wir sie, bevor sie wieder zu sich kommen." Mit diesen Worten schickte er einen um den anderen seiner Magieblitze in die verwirrte Horde.
Ulf und ich sahen uns einen Augenblick lang verblüfft in die Augen, dann sprangen wir auf und stürmten, gefolgt von Marek, in den Kampf.
Erneut hatte ich das Gefühl, die Monster würden sich langsam und schwerfällig bewegen, mit traumhafter Sicherheit bewegte ich mich zwischen ihren Reihen hindurch und streckte eins ums andere nieder. Die merkwürdige Verwirrung, mit der Vendor sie verflucht hatte, half mir noch dabei, sahen mich die meisten der Dämonen doch erst, wenn es schon längst zu spät für sie war. Schließlich erkannte ich in Marek den Grund für die Langsamkeit der Feinde. Eine hellblau schimmernde Aura umgab ihn, die sich in seiner unmittelbaren Nähe merkwürdig kalt anfühlte, weiter aber keine Wirkung auf mich auszuüben schien. Für die uns umgebende Dämonenhorde jedoch sah die Sache anders aus. Näherte sich einer von ihnen Marek, so schien die Luft um ihn zu gefrieren und behinderte dabei seine Bewegungen ungemein.
Beeindruckt von den Fähigkeiten Mareks wandte ich mich dem nächsten Gegner zu und in kurzer Zeit stand keiner von ihnen mehr. Mich umschauend erblickte ich Ulf, der gerade sein Schwert säuberte sowie Marek und Vendor, die vor der merkwürdigen Wand aus Knochen standen. Vendor war umgeben von einigen Skeletten, erweckt aus den Kadavern seiner Gegner, und zusätzlich hatte er sich mit einer wirbelnden Rüstung aus Knochen umgeben. Die Schreie der Wut und des Schmerzes, die aus dem Inneren des merkwürdigen Gefängnisses kamen, schienen ihn zu amüsieren. Mit einer kurzen Handbewegung ließ er die knöchernen Wände zusammenbrechen.
Jetzt konnte ich auch das rote Etwas erkennen, das zusammen mit Shenk dort eingesperrt worden war. Wieder hatte Vendor hier einen Golem geschaffen, diesmal jedoch einen aus Blut. Es sah aus, als hätte man einem Übergroßen, dicken Mann die Haut abgezogen. Pulsierende Adern zeichneten sich direkt auf dem roten Fleisch ab und rote Fußstapfen blieben zurück, als sich der Golem auf einem Wink seines Herren zurückzog.
Verwirrt schaute Shenk sich um, dann richtete er seine Augen auf Vendor.
"Du." Verblüffung zeigte sich auf seinem Gesicht ab.
"Ja, ich." Vendor strahlte ihn regelrecht an. "Du hast mich doch eingeladen, erinnerst Du Dich nicht?"
Plötzliche Wut verzerrte Shenks Gesicht und er bewegte sich einen Schritt auf Vendor zu. Wir alle erhoben warnend unsere Waffen, was ihn zum Einhalten brachte.
"Du hast meine Magie jämmerlich genannt?" Vendors Stimme strahlte immer noch Freundlichkeit aus, die hier eigentlich fehl am Platze war. "Ich mache Dir einen Vorschlag. Nur Du und ich, dann kannst Du mir zeigen, wie jämmerlich sie ist."
Nicht nur Marek warf ihm einen überraschten Blick zu. Doch Vendor hob die Hand, um unsere Einwände abzuwehren.
"Ich habe es gesagt, und ich stehe zu meinem Wort. Nun?" Die letzte Frage war wieder an Shenk gerichtet, über dessen Gesicht ein wahrhaft böses Grinsen ging.
"Nun gut, Sterblicher, wir wollen sehen, wer von uns beiden stärker ist. Und ihr -", überheblich wandte er sich an uns, "ihr habt die Worte Eures Freundes gehört. Tretet zurück."
Ein leises Rascheln kündete davon, dass Vendor seine Knochenrüstung neu beschwor. Die Skelette traten näher zusammen und bildeten einen dichten Schutzwall um ihn. Wir drei traten zurück um den beiden Platz zu schaffen.
Mit einem Aufschrei versuchte sich Shenk auf Vendor zu stürzen, traf jedoch auf entschiedene Gegenwehr durch dessen Skelette. Während Shenk noch mit ihnen beschäftigt war, stürzte sich der Golem von hinten erneut auf ihn. Vendor hatte unterdessen seinen Stab erhoben und murmelte etwas, wobei er auf Shenk zeigte. Gleichzeitig drängten die Skelette diesen zurück, so dass er sich plötzlich dem Blutgolem gegenüber sah. Wütender als zuvor riss Shenk diesem mit einem einzigen Schlag seiner Krallen den Oberarm bis auf den Knochen auf. Doch zu meinem Erstaunen verschwand die schreckliche Wunde sofort wieder, nur um statt dessen auf Shenks Arm zu erscheinen. Mit einem ungläubigen Blick erst auf seinen Arm und dann auf Vendor wich dieser zurück. Was nun folgte war kein Kampf mehr, sondern das reinste Gemetzel. Vendors Kreaturen kreisten den Dämonen ein und rissen ihn buchstäblich in Fetzen. Wehrte sich dieser, so fügte er die Verletzungen nicht seinen Gegnern, sondern sich selbst zu. Nur wenige Minuten dauerte der ungleiche Kampf, dann lagen Shenks Überreste am Boden.
Doch auch an Vendors Kräften hatte der Kampf gezehrt, erschöpft setzte er sich auf einen Stein.


Die Gefangenen

Wir gönnten uns nach dem Kampf mit Shenk keine lange Ruhepause. Ohne ihren Anführer wären die Dämonen-Diener nicht mehr in der Lage, die Belagerung aufrecht zu erhalten, darin waren wir uns einig, deshalb überließen wir das zerschlagen des Belagerungsheeres den Kriegern der Siedlung und drangen weiter ins Eishochland vor. Vorsicht war hier angesagt, waren doch in den ersten Tagen des Krieges hier viele Kämpfer verloren gegangen, ohne dass wir je die Leichen gefunden hatten. An die von Vendor erwähnte Möglichkeit, wir könnten in Kürze unseren eigenen, nun untoten Kriegern gegenüberstehen, wollte ich vorerst nicht denken. Außerdem hatten wir alle Hände voll zu tun, uns gegen noch mehr der teleportierenden Kobolde zu wehren. Langsam lernten wir auch Strategien, sie zwischen uns zu treiben und dann von zwei Seiten zu attackieren. Jedoch waren die Feuerblitze, mit denen sie um sich schossen, äußerst schmerzhaft und drohten langsam aber sicher, unseren Kampfeswillen zu zermürben.
Glücklicherweise boten viele Hügel, Gräben und Hausruinen genug Deckung, um den meisten Kämpfen aus dem Weg zu gehen.
Vor der Ankunft Baals hatten die Hirten hier große Viehställe und Wohnhäuser als Winterquartiere unterhalten, jetzt zeugten davon nur noch verfallene Ruinen. Es war einer dieser scheinbar verlassenen Orte, der unsere Aufmerksamkeit weckte. Die Sonne näherte sich mittlerweile schon den westlichen Berggipfeln und in den länger werdenden Schatten wurde es schwerer, unsere Feinde schon aus der Entfernung zu erspähen. Vendor hatte vorgeschlagen, die Nacht in einer der besser erhaltenen Ruinen zu verbringen, wo wir in relativer Sicherheit vor einer plötzlichen Entdeckung wären.
Eines der verfallenen Gemäuer schien etwas besser erhalten zu sein als die umstehenden, also schlugen wir unser Lager darin auf. Der kalte, ewig launische Wind des Eishochlands wurde auf ein erträgliches Maß reduziert und selbst das löchrige Dach würde uns vor einem kurzen Regenschauer schützen. Sogar etwas Stroh war in der angrenzenden Scheune noch aufzutreiben. Im Schutze der Mauern entzündete Vendor ein kleines Feuer und schon bald saßen wir darum und unterhielten uns leise, während einige Skelette Wache hielten.
In meinem Inneren jedoch blieb ich unruhig. Zuerst führte ich es auf die feindliche Umgebung und die ungewöhnlichen Ereignisse der letzten Tage zurück. Aber allmählich fiel mir auch bei meinen Gefährten eine gewisse Unruhe auf. Selbst Vendor, der sonst nie um einen derben Scherz verlegen war, wurde stiller. Plötzlich stand er auf und schaute suchend in die Runde.
"Irgend etwas stimmt hier nicht, ich spüre das." Keiner widersprach ihm. Dann begriff ich plötzlich, was mich die ganze Zeit beunruhigt hatte.
"Hat jemand in diesem Haus Spuren von Dämonen gefunden?", fragte ich. Ulf zog wortlos sein Schwert und auch Vendor hatte mich verstanden. Er hob eine Handvoll Erde auf und begann eine Beschwörung zu murmeln. Nur Marek schaute mich fragend an.
"Nun, in jeder Ruine, die wir heute durchsucht haben, fanden wir mehr oder weniger frische Spuren. Nur ausgerechnet hier nicht", erklärte ich meine Gedanken.
Jetzt nickte auch Marek. "Wir sollten hier verschwinden. Sofort!"
"Euer Lordschaft wollen schon gehen? Wie schade für den Gastgeber." Die Stimme des Sprechers hatte einen tiefen, unangenehmen Klang, der mir leichte Schauer über den Rücken jagte.
Aus einem Raum, der vor einigen Minuten noch leer gewesen war, stapfte ein gut fünf Schritt großer Koloss auf uns zu. Auf seinem Rücken trug er ein Gestell, in dem einer der leidigen Kobolde hockte, mit denen wir uns schon den ganzen Tag herumgeschlagen hatten. Hinter ihm folgten zwei weitere der Giganten, welche ebenfalls einen Kobold als Reiter trugen. Ein rascher Blick zur Tür belehrte mich darüber, dass uns dieser Weg verstellt war. Eine Gruppe von Dämonen, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, drängte dort langsam Vendors Skelette zurück.
Vendor schleuderte die Handvoll Erde in die Richtung der drei Giganten. Ein Golem aus Stein und Erde erhob sich zwischen ihnen und griff den vorderen von hinten an. Wir vier drängten sofort zur Tür, um mit Hilfe der restlichen Skelette die Reihen der dort lauernden Monster zu durchbrechen. Jedoch noch bevor ich meinen ersten Schwertstreich tun konnte, zerbarst der Golem unter einem sengend heißen Flammenstrahl, welche die Kobolde aus ihrer sicheren, erhöhten Position auf ihn richteten. Wie wenig dieses Feuer mit den zwar lästigen, aber doch harmlosen Blitzen, welche die Kobolde sonst auf uns geschossen hatten, zu tun hatte, erfuhren wir, als einer der Kolosse sich herumdrehte und Ulf dabei wie beiläufig von dem Strahl gestreift wurde. Ein Schmerzensschrei entfuhr ihm und er brach zusammen. Sein rechtes Bein war vom Knie abwärts nur noch eine schwarze, verkohlte Masse.
Der Kobold ließ das Feuer ersterben und wandte sich an Marek.
"Legt die Waffen nieder, und wir werden Euer Leben und das Eurer Gefährten verschonen. Doch wenn ihr kämpfen wollt, nun", dabei deutete er mit einem Schulterzucken auf Ulf, "so schaut Euch Euren Freund noch einmal genau an. Zur Warnung."
Einen Augenblick stand Marek wie betäubt, dann sah er mir in die Augen und erkannte die stumme Frage darin. Er blickte zu Vendor, doch dieser schüttelte nur müde den Kopf und machte eine Handbewegung zu seinen Skeletten hin, die daraufhin zusammenbrachen.
"Wir haben viele Kämpfe zusammen geschlagen, Gotteskrieger, doch heute sind wir unterlegen. Ergeben wir uns, denn ich habe das Gefühl, sie werden unser Leben tatsächlich noch verschonen."
Die Monster drängten durch die Tür und entwaffneten uns, erlaubten es Marek jedoch, sich um Ulfs Verletzungen zu kümmern. Schließlich öffnete eines von ihnen eine verborgene Falltür im Nebenraum und wies uns an, ihm dort hindurch zu folgen. Eine schmale Treppe führte dort unter die Erde. Der Dämon ging voran, gefolgt von Vendor, der wiederum von zwei weiteren der Dämonen bewacht wurde. Marek und ich trugen Ulf. Wir brauchten nicht weit zu gehen, denn die Treppe mündete schnell in einen weiten Gang, von dem mehrere Räume abgingen. Ich erkannte, dass dieses Gehöft vor der Besetzung durch die Truppen Baals einer Schmugglerbande gehört haben musste, in deren Vorratsräumen wir uns nun befanden. Unsere Begleiter führten uns zu einem der Räume, der mit einer schweren, eisenbeschlagenen Tür verschlossen war. Diese wurde nun für uns geöffnet und nachdem wir hindurch getreten waren, wieder verschlossen. Wir waren gefangen.
Marek und ich legten den inzwischen bewusstlosen Ulf vorsichtig in einer Ecke auf den Boden, während Marek an der Tür horchte.
"Es sind mindestens zwei Wachen davor", flüsterte er und zu "und mindestens einer steht noch etwas weiter weg. Mir scheint, wir sind nicht die einzigen Gefangenen hier."
Marek nickte und betrachtete dann Ulfs Bein. "Ich weiß nicht, ob ich ihn vollständig heilen kann. Jedenfalls werde ich Zeit brauchen und Ruhe." Er schaute plötzlich auf mich. "Und wenn mindestens einer von Euch möglichst schnell verschwindet, werde ich mehr Ruhe haben."
Vendor hatte sich schon umgesehen und deutete auf ein Loch in der Decke.
"Wenn ich nur etwas brennendes dort hinauf bekommen würde, mir scheint nämlich, dass wir uns unter dem hölzernen Boden der Scheune befinden."
"Aber dann werden wir doch verbrennen", setzte ich an, verstummte jedoch, als ich Mareks Lächeln sah und mich an unser Erlebnis auf der Stadtmauer erinnerte. "Nun gut, aber wie dann weiter?"
"Mein Golem wird sie eine Weile beschäftigen. Damit wird ein es für Euch leichter zu entkommen."
"Nur ich?" Entsetzt sah ich ihn an. "Und Euch hier zurücklassen? Niemals!" Empört wandte ich mich Marek zu, der mir jedoch mit einer knappen Handbewegung Schweigen gebot.
"Vendor hat wie immer recht.", lächelte er. "Wir zwei bleiben hier und decken Eure Flucht so lange wir nur können. Ihr kommt alleine schneller voran und Ihr kennt den Weg besser als wir. Kehrt nur so schnell wie möglich mit Hilfe wieder."
So sehr es mir auch widerstrebte, meine Gefährten im Stich zu lassen, ich musste schließlich doch nachgeben. Niemals könnten wir uns zu dritt den Weg freikämpfen, schon gar nicht, mit dem verletzten Ulf. Einmal in der Stadt, wäre ich jedoch in der Lage, eine größere Schar Krieger zu versammeln um meinen Gefährten zu Hilfe zu eilen.


noch unfertige Kapitel

Khan ist geflohen und wird von einigen der Dämonen verfolgt. Unterwegs rennt er in eine weitere Horde der Wesen, die sich der Verfolgung anschließt.

Lange hielt ich die wilde Jagd nicht durch und drei meiner Verfolger drängten mich schließlich gegen einen Felsen. Mit mehr kraftvollen als gezielten Schwerthieben hielt ich sie mir noch vom Leibe, jedoch nahte schon der Rest der Horde, der meiner Flucht hier ein Ende machen würde.
"Nicht bewegen" rief plötzlich eine Stimme und eine Wand aus Feuer schoss vor mir aus dem Boden. Sengend heiße Glut umhüllte die Dämonen, die innerhalb weniger Sekunden zu Asche verbrannten. Ich hatte die Augen fest zusammengekniffen und presste mich mit aller Kraft rückwärts gegen den Felsen, trotzdem war die Hitze schier unerträglich und meine Kleider drohten sich zu entzünden. So plötzlich wie sie entstanden waren, erstarben die Flammen wieder und der kalte Wind des Hochlandes weckte meine Sinne wieder.
Mir gegenüber stand eine Frau.


Sendra

Khan und Sendra rasten, während sie den Gefangenentransport verfolgen.
Sie sitzen in einer Höhle, haben ein Feuer gemacht und essen etwas. Sie unterhalten sich

"Ich habe noch nie zuvor einen Barbarenkrieger im Kampf gesehen", sagte Sendra zwischen zwei Bissen. Ich zuckte mit den Achseln.
"Sieht sicher nicht anders aus, als bei anderen Kämpfern." Mit einem Grinsen in ihre Richtung fügte ich hinzu: "Nur dass wir besser kämpfen natürlich."
"Ja, das habe ich heute gemerkt."
Das hatte gesessen. Obwohl ich wusste, dass dieser Kommentar nicht wirklich ernst gemeint waren, traf er mich doch. Wütend, mehr über meine Reaktion als über sie, grub ich meine Zähne in ein Stück Fleisch.
"Ist es wahr, dass ihr im Kampf singt?" fragte sie, schon wieder versöhnlicher.
"Einige, ja. Es gibt Lieder, die, wenn sie richtig gesungen werden, sich auf den Sänger und seine Umgebung auswirken. Die Lebenskraft wird so gestärkt oder die Feinde geschwächt."
Das schien sie zu interessieren. "Wird dafür Magie gewirkt?"
"Diese Frage müsst ihr jemand anderem stellen. Ich weiß zu wenig über diese Dinge."
Enttäuscht schaute sie wieder ins Feuer. Eine Weile lang saßen wir still, dann blickte sie auf.
"Lass uns schlafen gehen, wir werden unsere Kräfte morgen brauchen."
Ich schlug vor, die erste Wache zu übernehmen, doch sie lachte nur. "Hier drin wird uns bestimmt niemand stören, und wenn doch, habe ich eine ganz besondere Überraschung für ihn bereit."
Sie stand auf und hielt ihre Glaskugel mit ausgebreiteten Armen in die Luft. Am Eingang der Höhle wuchs plötzlich ein Feuerball aus der Erde und entrollte sich zu einem dreiköpfigen Wesen. Zwei der Köpfe wandten sich dem Eingang zu, während der dritte uns stumm musterte.
"Glaub mir, wer immer unseren Schlaf zu stören versucht, wird sich wünschen, es nicht getan zu haben." Mit diesen Worten breitete sie ihre Decke an der Wand aus und rollte sich dann hinein.
Unbehaglich starrte ich dem merkwürdigen Feuerwesen in die Augen. Sollte ich so etwas den Rücken kehren und sogar dabei schlafen? Andererseits schien es Sendra nichts auszumachen und sie würde schon wissen, was sie da beschworen hatte. Mein letzter Gedanke, bevor der Schlaf mich übermannte, war dass Sendra vielleicht doch eine gute Rückendeckung auf dieser Rettungsmission sein würde.